Als fürsterzbischöfliche Residenz war Olmütz immer auch besonders katholisch und kaisertreu. Nicht zufällig flüchtete der Wiener Hof im Revolutionsjahr 1848 ins sichere Olmütz, wo Kaiser Ferdinand schließlich zu Gunsten seines Neffen Franz Josef in der fürsterzbischöflichen Residenz auf den Kaiserthron verzichtete. Wäre damals nicht Dezember gewesen, hätte sich der junge Kaiser wohl auf dem Balkon der Residenz erstmals seinem Volk gezeigt.

Vor seinem Rücktritt versuchten die Berater Kaiser Ferdinands im Oktober 1848, seinen Thron noch durch die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung des österreichischen Reichstags zu retten. Da der Hof immer noch in Olmütz weilte, wurde diese in die Sommerresidenz des Olmützer Erzbischofs in Kremsier (Kroměříž) einberufen. Durch die Niederschlagung der Revolution im März 1849 blieb die dort von den Abgeordneten ausgearbeitete neue österreichische Verfassung aber nur Entwurf. Der sogenannte Kremsierer Entwurf, über den Jusstudenten heute in Rechtsgeschichte lernen, war für die damalige Zeit sehr fortschrittlich und basierte auf der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit.
Was lag für ehemalige Jusstudenten also näher, als am Sonntag vor der Rückfahrt nach Wien noch einen Abstecher nach Kremsier zu machen.

Kremsier liegt eine Autostunde südöstlich von Olmütz im Zliner Kreis mit eigener Autobahnabfahrt. Durch Eingemeindungen hat die Stadt heute nicht ganz 30.000 Einwohner und versprüht den Charme einer kleinen altösterreichischen Bezirksstadt mit einem – schon aus dem Namen ersichtlichen – großen, für Tschechien sehr typischen Stadtplatz (Velké náměstí). Der Hollywood-Film Amadeus und andere historische Filme wurden hier zum Teil gedreht.

Geprägt wird die Stadt aber von der Sommerresidenz der Olmützer Fürsterzbischöfe, dem neben der Dreifaltigkeitssäule in Olmütz zweitem UNESCO-Weltkulturerbe in Mähren. Besichtigt werden kann das Schloss nur durch Teilnahme an einer Führung. Das funktioniert für Einzelreisende hier so wie in den meisten Schlössern in Tschechien: Man schließt sich einer tschechischsprachigen Führung an und lässt sich eine Mappe geben, in der die einzelnen Räume des Schlossführung auf Deutsch beschrieben werden. (Mundschutz ist dabei in Tschechien derzeit übrigens keiner erforderlich, doch fanden wir es sinnvoll, trotzdem einen zu tragen und immer am Ende der Gruppe zu gehen.)

Beeindruckend ist von den zu sehenden Räumlichkeiten vor allem der frühere große Speisesaal des Schlosses, der heute als Reichstagssaal bezeichnet wird, weil hier die Abgeordneten des österreichischen Reichstags an der Ausarbeitung des Kremsierer Entwurfs arbeiteten. Im Saal ist ein Holzmodell des Plenums mit Anführung des Sitzplatzes jedes einzelnen Abgeordenten des Reichstags aufgestellt.



Das Schloss besitzt außerdem eine mit zehn Sälen gar nicht so kleine Gemäldegalerie mit Werken von Lukas Cranach, Tizian, und Anthonis van Dyck. Laut Wikipedia ist sie sogar nach der Prager Nationalgalerie die zweitbedeutendste in Tschechien. Diese kann auch ohne Führung besichtigt werden. Während das Schloss 1949 enteignet wurde und heute im Besitz des Tschechischen Staates ist, ist die Gemäldegalerie im Eigentum des Erzbistums Olmütz. Im Schloss befindet sich außerdem die nach dem Vatikan angeblich zweitgrößte Münzsammlung der Welt (der Fürsterzbischof besaß ein Zeit lang das Münzprägerecht), die aber nicht besichtigt werden kann.

Zum Schloss gehört auch ein großer Schlosspark, der ohne Eintrittskarte frei zugänglich ist und gleichfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Da wir von so viel Kultur schon etwas hungrig geworden sind, spazierten wir aber nur noch kurz durch den Park. Nach einer kleinen Stärkung am späten Nachmittag ginge es wieder zurück nach Wien. Ein gelungenes Wochenende in Mähren, das auch in Coronazeiten möglich ist, fand damit ihr Ende.

Sehr informativ. Für die nächste Reise nach Mähren wünschen ich mir einen Bericht über Mährisch-Weißkirchen.