Letzte Woche machte ich mit Tamara einen kleinen Ausflug nach Westböhmen. Das Zentrum Westböhmens ist die Stadt Pilsen.
Die schnellste Route mit dem Auto von Wien aus wäre die Autobahn über Prag. Die kürzere und interessantere Route geht über Třeboň und Budweis. Da wir Prag und Budweis schon kennen, fuhren wir bei Budweis vorbei weiter nach Tabor und machten einen Zwischenstop bei Schloss Orlík an der Moldau-Talsperre.

Schloss Orlík ist eines der wenigen Schwarzenberg-Schlösser, die sich die Schwarzenbergs nach der Samtenen Revolution rückerstatten ließen. Besichtigungen sind trotzdem möglich, da nur ein kleiner Teil als Wohnung genutzt wird. Schloss Orlík liegt auf einem Felsvorsprung am linken Ufer der Moldau, die sich hier durch eine Talsperre zu einem See staut. Da das Schloss mit Blick auf die Moldau gebaut wurde, ist für eine gute Ansicht des Schlosses eine Bootsrundfahrt zu empfehlen, für die es uns aber an diesem Tag schon zu spät war und wir weiter nach Pilsen wollten.

Pilsen (auf Tschechisch: Plzeň), die zweitgrößte Stadt Böhmens, wurde im Mittelalter nach Plan neu konzipiert, was an der quadratisch angelegten Innenstadt mit für damalige Verhältnisse breiten, geraden Straßen und einem großem Marktplatz in der Mitte zu sehen ist. Dort befindet sich die St.-Bartholomäus-Kathedrale, die für Reisende früher schon von weitem als Blickfang und Wahrzeichen der Stadt zu erkennen war.

Pilsen hat noch einige weitere Sehenswürdigkeiten, zB eine große Synagoge, zwei von Adolf Loos eingerichtete Wohnungen und eines dieser Theater, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts überall in der Donaumonarchie gebaut wurden. Mit einen kleinem Rundgang durch die Altstadt ist das alles aber schnell besichtigt.

Am Rande der Altstadt, in der Nähe des Bahnhofs, an einer breiten Ausfahrtsstraße liegt die heute meist besuchte Sehenswürdigkeit der Stadt Pilsen, die Brauerei des Pilsner Urquells. Das Bier trägt bis heute als Marke weltweit seinen deutschen Namen, die Pilsner Brauerei firmiert aber längst auf Tschechisch als Plzeňský Prazdroj und gehört inzwischen dem japanischen Asahi-Konzern (auch ein gutes Bier, zumindest in Japan).

Das Recht, Bier zu brauen, war früher an bestimmte Häuser der Pilsner Altstadt gebunden. Wurde das Haus verkauft, wechselte auch das Bierbraurecht den Besitzer. Jedes Haus mit Bierbrauchrecht braute in Pilsen sein eigenes Bier und entgegen der heutigen, außerhalb Tschechiens vertretenen, irrigen Meinung, dass Mikrobrauereien ein Qualitätsgewinn seien, fand man in Pilsen diese Biere mit der Zeit ungenießbar. So entschlossen sich die rd. 200 vornehmlich deutsch sprechenden Pilsner Bürger mit Bierbraurecht ihre Braurechte für ein gemeinsames städtisches Bier zusammenzulegen. 1842 braute in ihrem Auftrag der aus Bayern stammende Braumeister Josef Groll „nach bayrischer Art“ das erste Pilsner Urquell.
Gelernt haben wir das bei einer Besichtigung der Brauerei, die sehr zu empfehlen ist. Die Führung beinhaltet am Ende ein noch ungefiltertes Pilsner Urquell, frisch aus dem Holzfass.
Ungefiltertes Pilsner Urquell Diesen Raum kann man für drei Stunden mieten (Ungefiltertes Pilsner Urquell inklusive)
Wer übrigens meint, in der Brauerei könnten verschiedene Sorten des Pilsner Urquell mit verschiedenen Stammwürzen, Alkoholgehalt oder Geschmacksrichtungen gekostet werden, irrt. Denn es gibt nur ein Pilsner Urquell. Dieses Bier ist perfekt und kann nicht verbessert werden. Es ist bis heute ident mit dem von Josef Groll 1842 gebrauten Bier. Daher wird in der Brauerei zu Vergleichszwecken immer auch in einer kleinen Menge das Bier nach der alten von Josef Groll angewandten Brautechnik gebraut. Es gibt auch weltweit keine anderen Standorte außer Pilsen, wo das Pilsner Urquell noch gebraut wird, da nur das weiche Pilsner Wasser seinen Originalgeschmack garantieren kann.
