Der Mann, der uns auf diesem Bild Oskar Kokoschkas entgegenblickt, war von Beruf Jurist im k.k. Eisenbahnministerium. Doch dass es sich beim Porträtierten nicht einfach nur um einen einfachen österreichischen Eisenbahnbeamten handeln kann, erschließt sich dem Betrachter schnell. Tatsächlich galt das Interesse von Dr. Ludwig Ritter von Janikowski, so der Name des Gemalten, nicht seiner Beamtenlaufbahn1, sondern der „Welt des Geistes und der Literatur“2.
Und noch etwas veranschaulicht uns die Kunst Oskar Kokoschkas in seinem an van Gogh erinnernden Bild sehr eindringlich. Blicken wir in die Augen des gebürtigen Polen, so sehen wir einen unglücklichen, von Depressionen gequälten Menschen. 1909 wurde er nach einem Selbstmordversuch in die Wiener Klinik Am Steinhof eingeliefert. Dort entstand auch das Porträt.3 Die Ärzte konnten ihm nicht helfen. 1911 nahm er sich in einem Warschauer Sanatorium vermutlich das Leben.
Dass wir uns heute noch seiner erinnern, liegt an diesem frühen Meisterwerk Kokoschkas. Wer indes mehr über dieses Leben nachforscht, wird lernen, dass Ludwig Ritter von Janikowski außerhalb seiner bürgerlichen Arbeitswelt nicht nur ein literarisch interessierter Leser war, sondern auch den befreundeten Karl Kraus redaktionell für sein Buch „Sittlichkeit und Kriminalität“ und die „Fackel“ unterstützte. Das war zu jener frühen Zeit der „Fackel“, als sie von Karl Kraus noch nicht alleine geschrieben wurde. Karl Kraus dankte es ihm mit einem berührenden Nachruf in der „Fackel“.
Das Porträt war zunächst im Besitz von Adolf Loos, mit dem Janikowski ebenfalls befreundet war und Kokoschka damit beauftragte. Es dürfte sich heute im Privatbesitz des U.S.-Unternehmers und Kunstsammlers Ronald S. Lauder befinden.4
1 Eine kurze Abhandlung der Beamtenkarriere von Ludwig Ritter von Janikowksi findet sich bei Waltraud Heindl, Josephinische Mandarine, Bürokratie und Beamte in Österreich, Band 2 (Wien 2013) 267ff.
2 Nachzulesen in Jens Malte Fischer, Karl Kraus (Wien 2020) 140f.
3 Auf der Rückseite datiert und beschriftet: „14. X. 09 Steinhof“.
4 Ronald S. Lauder vor dem Bild Janikowkis.
