Hagia Sophia

Nun also zum bedeutendsten Zeugnis der byzantinischen Geschichte: Der Kirche zur heiligen Weisheit oder wie die Byzantiner sie auf Griechisch nannten, der Hagia Sophia. Über 1000 Jahre war sie die größte Kirche der Christenheit, bis sie nach dem Fall Konstantinopels in eine Moschee umgewidmet wurde.

Hagia Sophia am Abend, links der Eingang für Türken

Dass ich die Hagia Sophia nicht längst besichtigt habe, als sie noch ein Museum war, gehört wahrscheinlich zu einem der größten Versäumnissen in meinem Leben. Zeit gewesen, wäre genug. Dass sie zu meinen Lebzeiten noch einmal in ein Museum rückgewidmet wird, ist unwahrscheinlich.

Die Rückwidmung hat zur Folge, dass das Erdgeschoss seit heuer wieder als Moschee, die Galerie hingegen weiterhin als Museum in Betrieb ist. Die Zugangsbeschränkungen sind aber nicht ganz klar. Grundsätzlich gibt es einen kostenlosen Eingang in das Erdgeschoss für „türkische Staatsbürger“ und einen kostenpflichtigen Eingang für „internationale Besucher“ in die Galerie.

Die Einteilung macht zumindest religiös wenig Sinn, denn warum sollten arabische Muslime nur die Galerie besuchen dürfen, türkische Christen oder Nichtgläubige – einige gibt es – aber die Moschee im Erdgeschoss. Tatsächlich dürfte es auch nicht so gehandhabt werden. Nichttürkische Muslime dürften nach meiner Beobachtung zumindest zu den Gebetszeiten problemslos in das Erdgeschoss der Hagia Sopia durchgelassen werden. Auch verbietet der Islam Christen nicht grundsätzlich den Besuch einer Moschee.

Die Rückwidmung wirkt sich, von den Zugangsbeschränkungen abgesehen, vor allem darin aus, dass der Marmorboden der Hagia Sophie bis auf einen kleinen Ausschnitt, dem sogenannten Omphalion, wieder mit einem Gebetsteppich überdeckt wurde. Außerdem wurde das über 1000 Jahre alte Marienmosaik in der Apsis dauerhaft mit Tüchern verhängt, sodass es für muslimische Gläubige im Erdgeschoss nicht mehr sichtbar ist. Die anderen Mosaike im Erdgeschoss werden ähnlich wie im Naos der Chorakirche zu den Gebetszeiten verhängt, sind ansonsten aber weiterhin sichtbar.

Blick von der Galerie ins Innere der Hagia Sophia

Für einen christlichen Byzantinisten sind diese Einschränkungen schmerzhaft, aber nicht so schlimm, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Denn die wichtigsten byzantinischen Mosaike befinden sich ohnehin in der Galerie.

Das bedeutendste ist das Deësis-Mosaik auf der Südseite der Galerie. In der Kunstgeschichte wird die Bedeutung des Begriffs Deësis auf eine Dreifigurengruppe mit Christus in der Mitte sowie der Gottesmutter Maria und Johannes dem Täufer an seinen Seiten beschrieben. Maria und Johannes erheben beide Arme und wenden sich in einer demütigen und flehentlichen Haltung zu Christus und bitten bei ihm für die Menschheit. Das spätbyzantinische Mosaik aus dem 14. Jhd. wirkt beim Betrachten monumental, aber dennoch sehr lebendig.

Deësis-Mosaik in der Galerie mit Kunsthistorikerin im Vordergrund

Auf der Südostseite der Galerie sind weiterhin die jedem Byzantinisten bekannten mittelbyzantinischen kaiserlichen Mosaike zu sehen.

Die Kaiser-Mosaike befinden sich an der Südostseite der Galerie, weil hier der Eingang vom Palast in die Hagia Sophia war

Das wäre zunächst jenes von Kaiser Johannes II Komnenos (regierte von 1118 bis 1143) mit seiner Frau Eirene (Irene) und ihrem Sohn Alexios, wie sie der Gottesmutter und dem Jesuskind Gaben reichen. Kaiserin Eirene wurde als ungarische Königstochter mit dem Namen Piroska geboren. Aufmerksamen Lesern des Blogs ist sie bereits als Gründerin des Pantokratorklosters aufgefallen. Ihre ausländische Herkunft ist an ihren rötlichblonden Haaren ersichtlich.

Kaiser Johannes II und Kaiserin Eirene reichen der Gottesmutter und dem Jesuskind Gaben. Der Sohn des Kaiserpaares auf der rechten Seite kann leicht übersehen werden

Das zweite Kaiserporträt zeigt Kaiser Konstantin IX Monomachos (regierte von 1042 bis 1055) mit seiner Frau, Kaiserin Zoe, der letzten Nachkommin der großen makedonischen Kaiserdynastie von Byzanz.

Kaiser Konstantin IX Monomachos, dritter Ehemann der Kaiserin Zoe, mit der Kaiserin und Christus Pantokrator
Kaiser Alexander

Und noch ein Kaisermosaik ist auf der Galerie zu sehen, nämlich jenes des nur kurz von 912 bis 913 regierenden Kaisers Alexander auf der Nordseite.

Auch das große Mosaik der thronenden Madonna mit dem Jesuskind in der Apsis (sogenannte „Theotokos“: Gottesgebärerin), das älteste erhaltende Mosaik in der Hagia Sophia (867 eingeweiht), ist für Besucher der Galerie zumindest durch einen seitlichen Blick sichtbar. Die Türken halten diese Lösung für besonders clever, weil damit Museumsbesucher der Galerie das Mosaik zumindest zum Teil sehen können, während es den Gläubigen der Moschee verborgen bleibt.

Nicht zu sehen ist leider für Besucher der Galerie das berühmte Mosaik des vor Christus knieenden Kaisers, vermutlich Leon VI, des Weisen (regierte von 886 bis 912), aus dem Ende des 9. Jhd., das sich im Erdgeschoss im Narthex befindet.

Zu Gebetszeiten wir das Mosaik über einen Rollbanken (ganz oben im Bild) verhängt

Dafür ist aber beim Ausgang auch für Besucher der Galerie weiterhin das berühmte Stiftermosaik aus dem 11. Jhd. zu sehen, das nur zu Gebetszeiten verhängt wird (sieht man am Rollbanken über dem Mosaik; ähnliches System, wie im Naos der Chora-Kirche).

Es zeigt Maria als Theotokos umgeben vom Kirchenstifter Kaiser Justinian mit dem Modell der Hagia Sophia und von Kaiser Konstantin als Stadtgründer mit dem Modell Konstantinopels.

Stiftermosaik in der Hagia Sophia
Das Graffiti auf der Balustrade unter Glas (leider mit Lichtspiegelung)

Nicht unerwähnt bleiben, wenn auch kunstgeschichtlich bedeutunglos, soll zuletzt auch das berühmteste Graffiti der Welt auf der Oberseite der Brüstung der Galerie. Nämlich das der Wikinger Halfdan und Arni, die dort in Runenschrift im 9. Jahrhundert ihren Namen eingeritzt haben. Sie waren Mitglieder der kaiserlichen Garde. Möglicherweise dauerte ihnen der Gottesdienst zu lang.

Die beste Besuchszeit der Hagia Sophia, um die Warteschlangen zu vermeiden, ist am frühen Morgen (um 8 Uhr) oder am Abend. Da wir keine Frühaufsteher sind, waren wir um 18 Uhr dort, was gut gepasst hat, weil wir damit zur Schließung um 19.30 Uhr fertig waren. Besucher, die sich weniger für byzantinische Kunst interessieren, brauchen aber wahrscheinlich nicht länger als 15 Minuten für einen Rundgang der Galerie. Dafür ist der Eintrittspreis von EUR 25 dann doch ordentlich. Noch einmal EUR 25 zahlt man für das ergänzend angebotene Hagia Sophia Museum, von dem wir aber abraten.

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