Philip Alexius de Làszló: Kardinal Mariano Rampolla del Tindaro

Der Mann, der uns hier mit stechendem Blick ansieht, ist ein Kirchenfürst. Doch war er kein echter Fürst, kein Fürsterzbischof. Mariano Kardinal Rampolla del Tindaro war mehr als das. Im heiligen Jahr 1900, als der ungarisch-britische Porträtmaler Philip Alexius de Làszló den 57 jährigen Rampolla in Rom malte, war dieser Kardinalstaatssekretär und rechte Hand des Papstes.

Der hieß damals Leo XIII und war mit über 90 Jahren der – bis heute – älteste jemals amtierende Papst.1 Von Leo XIII sind zwei kurze Videoaufnahmen aus dem Jahr 1897 erhalten. Obwohl sie einen rüstigen Greis zeigen, war es kein Geheimnis, dass sich sein Pontifikat langsam dem Ende zuneigte und mögliche Nachfolger brachten sich in Stellung.

Wäre ich nicht würdig, dieser Nachfolger zu sein? So mag uns dieses Bild zu überzeugen versuchen. Wenn Politiker sich heute einer Wahl stellen, zum Präsidenten eines Landes etwa, schreiben sie gerne eine Buch. Das soll die Wähler von ihren Ideen überzeugen. Seht her, liest, das bin ich, das hier sind meine Ideen, das wählt ihr mit mir.

Doch in der katholischen Kirche neigte man schon immer mehr der bildenden Kunst zu. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, so der Volksmund, und auch in Rom zählten stets Gemälde und Statuen mehr als Bücher. Warum also nicht einen zwar noch jungen, doch schon berühmten Porträtmaler Europas mit einem Gemälde von sich beauftragen? Noch dazu, wo dieser in Rom sogar als würdig befunden wurde, den eigenen Chef und amtierenden Papst zu malen?

Philip Alexius de László, 1869 in Budapest als Sohn eines jüdischen Schneiders geboren, war einer der führenden und vielbeschäftigten Porträtmaler des frühen 20. Jahrhunderts. Sein Stil war en vogue in der feinen Gesellschaft. Über 2500 Bilder sind von ihm erhalten. Er malte den amerikanische Präsidenten Theodore Roosevelt ebenso wie den halben royalen Hochadel Europas, unter ihnen Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm II. 1900, im gleichen Jahr, als er Kardinal Rampolla porträtierte, heiratete er in die irische Guinness-Familie ein und ließ sich später in England nieder. 1912 wurde er von Kaiser Franz Joseph in den ungarischen Adelsstand erhoben. 1914 wurde er britischer Staatsbürger.

Philip Alexius de László, Selbstporträt, 1911

So wird es Kardinal Rampolla wohl gereizt haben, sich mit einem Bildnis eines der führenden Porträtmalers seiner Zeit in eine Reihe mit den großen Papstporträts der Kunst- und Kirchengeschichte zu stellen und dabei als „papabile“ zu präsentieren. Denn gewiss kannte der gebildete Kardinal die in Rom ausgestellten großen Gemälde der Päpste. Etwa jenes von Innozenz X, den Diego Velázquez 1650 malte und als Höhepunkt dieses Genres gilt. Es ist bis heute im Palazzo Doria-Pamphilj in Rom zu besichtigen. Auch Velázquez lässt, wie László, den Kirchenmann im Chorgewand in einem Stuhl thronend den Betrachter eiskalt anblicken. Diente dieses Gemälde László als Vorbild? Schwer vorstellbar jedenfalls, dass es László bei seinem Romaufenthalt nicht zuvor gesehen und studiert hat.

Diego Velázquez, Papst Innozenz X, 1650

Vor allem auch, weil es László 1900 in Rom, genau 250 Jahre nach Velázquez, nicht nur als Vorbereitung für sein Porträt Kardinal Rampollas, sondern auch für jenes des amtierenden Papstes gedient hätte, die heute beide in der ungarischen Nationalgalerie zu besichtigen sind.

Philip Alexius de László, Seine Heiligkeit Papst Leo XIII, 1900

Doch anders als Innozenz X und Kardinal Rampolla sieht Leo XIII den Bildbetrachter nicht direkt an. László, der für das Bildnis Leos XIII auf der Weltausstellung in Paris im gleichen Jahr die Goldmedaille erhielt, zeigt uns einen ganz anderen Kirchenmann, einen, der uns nicht seine Pracht und Größe zeigen will, sondern einen in sich ruhenden alten Mann, einen, der die Spitze der römischen Kirche längst erklommen und nichts mehr zu erreichen, nichts mehr zu beweisen hat. Auch trägt Leo XIII kein Chorgewand, sondern, wenngleich mit rotem Umhang, dem Mantello, die einfache weiße Soutane des heiligen Vaters. Denn Leo XIII galt, obgleich früher selbst nicht ohne Ehrgeiz, als persönlich bescheidener Mann.

Kardinal Rampolla dagegen zeigt dem Betrachter alle Insignien seiner Macht. So wie Innozenz X im Chorgewand und mit der scharlachroten Mozetta eines Kardinals, hält er das Birett, den Kardinalshut, locker mit der Hand auf seinem Schoß, auf der ein smaragdgrüner Kardinalsring funkelt. Um seinen Hals hängt das Ehren- und Devotions-Großkreuz-Bailli des Malteserordens, dessen Großprior er in Rom war. Es ist kein einfacher Landpfarrer, der sich hier abbilden lässt, sondern ein Kardinal, der sein künftiges Papstgemälde schon vorwegnehmen will.

Ein einfacher Landpfarrer war Kardinal Rampolla tatsächlich nie. Aus sizilianischem Adel stammend, führte ihn seine kirchliche Laufbahn früh in den diplomatischen Dienst der römischen Kirche, dessen höchste Stelle er mit der Ernennung zum Kardinalstaatssekretär und damit „Außenminister“ des Vatikans erreichte. Dessen primäres Problem war nach der Einigung Italiens und dem Ende des Kirchenstaates das schlechte Verhältnis zur italienischen Regierung. Dieses wirkte sich auch nachteilig auf das Verhältnis zu dem mit Italien im Dreibund verbündeten Österreich aus. Angesichts der dadurch eingetretenen Distanz zu Österreich suchte Rampolla die Nähe zu Frankreich, was ihm die Abneigung des österreichischen Kaisers Franz Joseph einbrachte.

Seine Karrierebestrebungen schienen am Ende dennoch erfolgversprechend. Rampolla, mit 60 Jahren im besten Papstalter, ging 1903 als Favorit und natürlicher Nachfolger Leos XIII in das Konklave. Im ersten Wahlgang bekam er mit 24 die meisten der 62 Stimmen. Im zweiten Wahlgang erhöhten sich seine Stimmen bereits auf 29. Doch dann machte Kaiser Franz Joseph von seinem – im Kirchenrecht nicht vorgesehenen – Recht der Exklusive Gebrauch und ließ durch den Bischof von Krakau, Jan Kardinal Puzyna de Kosielsko, ein mit diesem vorbesprochenes Veto Österreichs gegen eine Wahl Rampollas erklären.

Rampollas Widersacher, Kaiser Franz Joseph als König von Ungarn, 1899, ein Jahr vor Rampolla und Leo XIII, gleichfalls von Philip Alexius de Làszló gemalt und in der ungarischen Nationalgalerie zu besichtigen

Ob diese Exklusive tatsächlich der Grund war, dass Rampolla am Ende nicht zum Papst gewählt wurde, lässt sich heute nicht mehr klären. Im anschließenden dritten Wahlgang bekam Ramolla sogar noch eine Stimme mehr, eine Zweidrittelmehrheit war damit aber aussichtslos geworden. Es ist nicht auszuschließen, dass nur durch das Veto des österreichischen Kaisers sein Stimmenanteil nicht mehr stärker stieg.

Andererseits könnte Rampolla auch ohne dieses Veto sein Stimmenmaximum erreicht haben. Es kommt in einem Konklave öfter vor, dass für Kardinäle, die zunächst die meisten Stimmen für sich gewinnen, die notwendige Zweitdrittelmehrheit unerreichbar ist und die Suche nach einem Kompromisskandiaten beginnt. Auch wählen Kardinäle nach einem langen Pontifikat nur ungern einen engen Mitarbeiter des verstorbenen Papstes als dessen Nachfolger.2

Nachfolger Leos XIII wurde schließlich Guiseppe Kardinal Sarto, der Patriarch von Venedig. Er war das genaue Gegenteil von Kardinal Rampolla. Der später heilig gesprochene Pius X war der Sohn von Kleinbauern aus dem Veneto. Mehr als die Bildung eines Priesterseminars wurde ihm nicht zu Teil. Er war der letzte Papst, der seine kirchliche Laufbahn tatsächlich als einfacher Landpfarrer begann. Nach seiner Wahl zum Papst untersagte er in der Apostolischen Konstitution Commissum nobis jedem Kardinal bei Strafe der Exkommunikation, dem Konklave eine Exklusive zu überbringen.

Philip Alexius de László: Kardinal Mariano Rampolla del Tindaro mit den Insignien eines Ehren- und Devotions-Großkreuz-Bailli des Malteserordens, Öl auf Leinwand, 1900, Ungarische Nationalgalerie

1 Papst Benedikt XVI erreichte zwar ein höheres Alter, doch nicht als amtierender Papst.

2 So wurde der Kardinalstaatssekretär des verstorbenen Papstes bisher nur dreimal zu seinem Nachfolger gewählt, nämlich Alexander VII und Clemens IX im 17. Jahrhundert und Pius XII (als Nachfolger Pius XI) 1939.

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1 Comment

  1. Engelbert Bramerdorfer 5. Dezember 2022 at 9:00

    Sehr schön geschrieben und sehr informativ.

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